Das Bootshaus und die Entwicklung des Wassersports in Jeßnitz
Der Verein wurde am 10.05.1921 als Ruder-Club e. V. gegründet.
Man errichtete nahe der höher gelegenen Straße nach Roßdorf einen Fachwerkbau für die Unterbringung der Ruder- und Paddelboote, der im Jahr 1926 eingeweiht wurde. An der Bootshalle befanden sich ein Clubraum mit Kleinküche, sowie Umkleideräume für Damen und Herren, ein WC und ein Abstellraum.
Im Jahr 1926 fand die Einweihung des Bootshauses statt. Die Mitglieder waren mehr oder weniger „prominente“ Bürger der Stadt, wie Geschäftsleute, Fabrikbesitzer, Doktoren, Lehrer, Handwerksmeister und deren Kinder. Es waren Sportler mit ihren anfangs selbst gebauten Holzbooten und später Faltbooten. Der Sportverein wurde 1933 verboten und die Boote beschlagnahmt. Nach knapp einem Jahr wurden die Boote unter der Bedingung freigegeben, dass sich die Wassersportler dem „Reichsbund für Leibesübungen“ (nationalsozialistischer Sportbund) anschließen würden. Auch der Ruder-Club war diesem Sportbund unterstellt worden.
Nach längerem Verhandeln erlaubte man schließlich, dass aus eigenen Mitteln ein neuer Anbau errichtet werden konnte. Durch der vielen Hände Arbeit, es halfen über 50 aktive Sportler mit, wurde dieser noch im Herbst 1934 fertiggestellt. So konnten die etwa 30 Holz- und Faltboote untergestellt werden.
Durch die Überzahl der Paddler änderte sich auch das Milieu im Verein und es bildete sich die „vielgepriesene Volksgemeinschaft“.
In den letzten Jahren des Krieges wurden die Räumlichkeiten gebraucht. Man nahm die Boote aus den Halterungen und verstaute sie im großen Paddelraum „wild durcheinander“.
Als dann am 20. April 1945 die Soldaten der Amerikaner die Stadt Jeßnitz besetzten und die Brücken zerstört waren, wurde das Bootshaus mit seinem brauchbaren Inhalt geplündert. Als die russische Armee anrückte, bildete die Mulde die vorläufige Grenze. Der gewaltige Flüchtlingsstrom von Ost nach West und auch umgekehrt brachte es mit sich, dass die vorhandenen Boote zum Überqueren der Mulde benutzt wurden. Fast alle Faltboote wurden zerstört oder beschädigt.
Es wurden behelfsmäßige Flussübergänge gebaut und die Wassersportfreunde konnten die zerstörte Bootshaus-Ruine besichtigen – eine Gruppe von Männern und Frauen, die gewillt waren, ihre alte Sportstätte, in der sie bereits viele schöne Stunden verlebt hatten, wiederaufzubauen. Der Antrag, einen Wassersportverein zu gründen, wurde von der russischen Stadtkommandantur abgelehnt. Trotzdem wurden ab August 1945 Beitragsgelder gesammelt, um unumgängliche Ausgaben finanzieren zu können. So wurde nach und nach das Bootshaus soweit wiederhergestellt, dass der nunmehr amtlicherseits genehmigte Verein wieder lebensfähig wurde.
Die einzelnen Sportgruppen der Stadt wurden ab 1951 zusammengefasst und als Betriebs-Sportgemeinschaft „Traktor Jeßnitz“ der Landwirtschaftlichen Maschinen-Ausleihstation unterstellt. Hier entwickelte sich der Kanusport weiter
In der sportlichen Entwicklung hatten sich interessen- und bootsbedingt zwei Gruppen gebildet: Wanderfahrer und Rennfahrer. Anfangs waren die meist älteren Wanderfahrer in der Überzahl, aber durch die Anschaffung von Rennbooten und dem aktiven Trainingsbetrieb fanden immer mehr Jugendliche zum Kanusport. Nicht nur die Urlaubsfahrten der Wasserwanderer auf allen Flüssen und Seen der DDR, sondern auch der Besuch der Regatten, erst im Bezirk, später dann in der ganzen DDR, machte die Kanuten aus Jeßnitz bekannt, zumal die Rennfahrer auch bei den größeren Regatten in Dresden, Magdeburg, Rostock oder Berlin immer an der Spitze zu finden waren.
Nicht zuletzt durch das gesellige, frohe Leben und Treiben am Bootshaus wuchs die Mitgliederzahl von Jahr zu Jahr. Die jährlichen Zuwendungen von der BSG-Traktor deckten die Kosten des immer größer werdenden Sportbetriebs nicht mehr. So beschloss die BSG-Leitung, sich dem Großbetrieb „Agfa Wolfen“ anzuschließen. Diese großzügige Unterstützung war durch den großen Erfolg der Jeßnitzer Rennkanuten mit mehreren DDR-Meistern möglich geworden.
Im Jahr 1955 hatte der Verein einen Höchststand von über 220 Mitgliedern erreicht. Ab dem Jahr 1970 erhielt die neue „BSG Chemie Jeßnitz, Sektion Kanu“ den Status eines Leistungszentrums. In den folgenden Jahren wurde viel neu- und umgebaut. Dagegen entwickelte sich der Wasserwandersport rückwärts, nicht nur durch die zunehmende Wasserverschmutzung der Mulde, sondern auch durch Autobesitz und die Möglichkeit zu Auslandsreisen. In den Jahren von 1960 bis 1970 fand eine Namensänderung statt: BSG Chemie Jeßnitz, Sektion Kanu. Die leistungsstarken Rennkanuten erreichten, dass Jeßnitz im Bezirksverband als ein Leistungszentrum anerkannt wurde. Durch Vergünstigungen und Bereitstellung vieler Mittel hatten die vielen neuen Rennboote kaum noch Platz und es musste ein großer Um- und Neubau vollzogen werden. Dieser konnte im Jahre 1980 durchgeführt werden.
Nach der Wende hat sich der Verein aus der BSG Chemie Jeßnitz ausgegliedert und ist seitdem eigenverantwortlich als Kanu-Club Jeßnitz/ Anhalt e. V. auf den Flüssen und Seen unterwegs. International bekannte Athleten wie die Weltmeisterin Yvonne Schuring und der Olympiasieger (2004) Christian Gille haben in unserem Verein ihre ersten Paddelschläge vollführt.
Seit der Wende konzentrieren wir uns vordergründig auf den Kinder- und Jugendsport. So trainieren zurzeit etwa 40 Sportler unter 18 Jahren bei uns im Verein. Diese werden von aktuell 9 ausgebildeten Trainern und Übungsleitern ehrenamtlich betreut.
Dazu kommen noch etwa 20 aktive Erwachsene Sportler, die unseren „Kleinen“ ein tolles Vorbild sind, da auch sie noch aktiv an Wettkämpfen teilnehmen.
Wir waren viele Jahre Leistungsstützpunkt und sind nun seit 2017 Talentgruppenstützpunkt des Landes Sachsen-Anhalt.
Wir richten nicht nur mehrere Wettkämpfe im Jahr aus, bei denen sich bis zu 400 Sportler messen. Wir organisieren auch viele Veranstaltungen für die Bürger unserer Stadt, wie Osterfeuer, Männertagsfeiern und unserer Bootshausfete mit über 1000 Gästen.
Wer Interesse an einer umfangreicheren Beschreibung der Geschichte hat, der schaue bitte hier.